“Die Kleinbürgerhochzeit” – Grenz-Echo Bericht

Die Kleinbürgerhochzeit

Von Bertolt Brecht
Regie: Günther Lorreng

Aufführungen in Hauset
Samstag, den 29. Januar 2000
und Sonntag, den 30. Januar 2000

Grenz-Echo vom 3. Februar 2000

Theater Gaudium mit der neuen Inszenierung erneut in der Ehrenklasse eingestuft

Brechts „Kleinbürgerhochzeit“ fordert sein Publikum auf höchst unterhaltsame Weise heraus

Mit einem eher wenig populären Stück von Bertolt feierte das Theater Gaudium am vergangen Wochenende Premiere. „Die Kleinbürgerhochzeit“ war sowohl beim Publikum als auch bei der Jury ein voller Erfolg.

Drei Aufführungen in der Hauseter Mehrzweckhalle hatten am Wochenende auf dem Programm gestanden und alle drei waren quasi bis auf den letzten Platz ausverkauft. Auf dem Programm stand ein Familienfest, eine kleinbürgerliche Hochzeit in den zwanziger Jahren. Geheiratet wurde damals in schwarz, aber ansonsten steht die „fröhliche Familienzusammenkunft“ aktuellen Feierlichkeiten wohl um nichts nach und ist durchaus mit dem Heute vergleichbar.

Im kleinen Kreis

Im kleinen Kreise feierte das junge Paar – treffend dargestellt von Stephan Offermann und Palmyre Keutgen -, nur die Eltern und ein paar Freunde sind geladen. Und die offenbaren im Laufe der kleinen Feier und mit steigendem Alkoholkonsum ihr wahres Gesicht, ihre zwischenmenschlichen Konflikte und ihre kleinen und großen Macken.
Einige Schwächen haben offenbar nicht nur die geladenen Gäste, sonder auch die selbst gezimmerten Möbel des jungen Ehepaares und des Bräutigams ganzer Stolz.
Ein Stück ums andere hält den Feierlichkeiten nicht stand, was nicht nur zu großen Lacherfolgen beim Publikum führt, sondern auch eine gewisse Tragik in sich birgt. Den nach dem ausgiebigen Sauf- und Fressgelage steht das jungvermählte Paar nicht nur vor der Hochzeitsnacht, sondern auch vor den Trümmern des eigenen Haushaltes… ein Bild, was für sie nur im Suff« zu ertragen ist.

Überraschungen

Regisseur Günther Lorreng hat das Publikum mit dieser Inszenierung um einmal mehr überrascht. Nicht nur, dass „Die Kleinbürgerhochzeit“ inhaltlich einiges an Unerwartetem birgt, auch dramaturgisch hat »Gaudium« einige Einfälle gehabt, Bertolt Brecht umzusetzen. So stand eine der beiden Bühnen quasi mitten im Publikum und ließ die Zuschauer unmittelbar am Geschehen teilhaben – ein Effekt, der noch verstärkt wurde, als die Hochzeitsgesellschaft zum Tanz lud …in den Reihen des Publikums.
Auch Livemusik durfte nicht fehlen. Am Piano setzte Paul Wetzels Akzente, Patrick Lorreng – übrigens nicht nur nebenbei bemerkt herausragend in der Rolle des schwulen Freundes des Bräutigams – schockte die Braut und unterhielt das Publikum vortrefflich mit Brechts „Keuschheitsballade“. Das Publikum amüsierte sich während des anderthalbstündigen Einakters auf jeden Fall köstlich; großen Anteil daran hatte vor allen Dingen die schauspielerische Leistung, Gestik und Mimik der Darsteller.
Auch der Jury gefiel es, und so wurde das Theater Gaudium erneut in die Ehrenklasse eingestuft.

PF