“Sophie – Ein Spiel” – Grenz-Echo Bericht

Sophie - Ein Spiel

Von Brigitte Mauderer
Regie: Günther Lorreng

Aufführungen in Hauset
Samstag, den 27. Januar 1996
und Sonntag, den 28. Januar 1996

Grenz-Echo vom 23. Januar 1996

„Lüttingen ist überall”

Theater „Gaudium“ mit beachtlicher Bühnenleistung

Selbst Autorin Brigitte Mauderer, eigens aus dem fernen Bayern zur Aufführung ihres Stückes nach Hauset angereist, zeigte sich begeistert von dem, was Günther Lorreng und die Darsteller des Theaters „Gaudium“ mit „Sophie“ auf die kleine Bühne der Hauseter Mehrzweckhalle hingezaubert hatten.

Was sie zu sehen bekam, war eine beispielhafte und meisterliche Regiearbeit und eine ebenso beachtliche Umsetzung durch das Ensemble der Laienbühne. Brigitte Mauderer zeigte sich tief beeindruckt und überrascht davon und war voll des Lobes, wozu für sie noch die Genugtuung kam, gleichzeitig die Premiere von „Sophie“ auf einer ausländischen Bühne zu erleben.

Gegen Fremdenfeindlichkeit

Selbst bei einer kritischen Betrachtung der Hauseter Aufführung muss man zu dem Schluss kommen, dass die Autorin mit ihrem Urteil Recht hatte. Ihr Stück nimmt sich der Ausländer- und Fremdenfeindlichkeit an, wobei sich dieser Begriff jedoch nicht, wie allgemein üblich, vor allem auf Türken, Nordafrikaner oder Farbige bezieht – obschon auch in diesem Stück ein Türke eine wichtige Rolle spielt -, sondern auch jene mit einbezieht, die als eigene Landsleute aus einer Großstadt in ein kleines Gemeinwesen verschlagen werden und dort wegen ihrer anderen Ansichten und Moralauffassungen von den „Ureinwohnern“ als Außenseiter und Störenfriede angesehen werden. Und als solche gelten alle, die von den in der neuen Heimat üblichen Normen abweichen. Das gilt auch für die Frischvermahlten Sophie und Hartmut, die es aus der Weltstadt Berlin in das kleine Lüttingen verschlägt, wo andere, wenn auch nicht immer positivere. Moral- und Lebensvorstellungen gelten. In diesem kleinen Ort, wo jeder jeden kennt und wo man sich dem allgemeinen und dort vorherrschenden Trend zu beugen hat, wird die junge Frau Zeugin eines Unfalls, bei dem ein jünger Türke schwer verletzt wird und den der mächtigste Mann des Ortes, weil Herr über 1000 Arbeitnehmer, verschuldet hat. Doch schon bald muss die junge Frau erkennen, dass ihre Aussage nichts gilt, weil es sich niemand mit dem mächtigen Herrn verderben will und sie und ihr Mann, obschon Landsleute der neuen Dorfgenossen, genau wie der Türke als Fremde gelten, die sich gefällig dem was in dem kleinen Ort üblich ist, zu unterwerfen haben. Wenn das Ende des Stückes offen bleibt und die Autorin es der Phantasie der Zuschauer überlässt, ob der Türke zu seinem Recht kommt, der Fabrikant für den Unfall und die anschließende Unfallpflicht zur Rechenschaft gezogen wird oder nicht und ob die noch junge Ehe an den Ereignissen in der neuen und fremden Heimat zerbricht, bleibt Sophie am Ende nur der resignierende Wunsch: „Flügel müsste man haben.“

Vorbildliche Umsetzung

Wie Regisseur Lorreng versicherte, enthält das Textbuch nur den reinen Text, ohne jegliche Regieanweisung. Also stammte das, was dem Geschehen auf der Bühne neben den Worten auch optischen Eindruck verlieh, ausschließlich von Regisseur und den Darstellern. Und das war nicht wenig. Da gilt z.B. für die Masken der Dorfbewohnerinnen, ihr „jedermann“ und ihre Anonymität symbolisierend; die von unten, oben und von der Seite stets kleiner werdende Bühne als Zeichen des immer geringer werdenden Lebensraumes der jungen Leute, die Darstellung, wie sie sich in ihrem Konflikt am Ende nur noch Schatten gleich unterhalten können usw.
Glücklich auch, das Günther Lorreng, der gerade in Hauset auf der Hand liegenden Versuchung widerstand, das Stück ins eigene Dorf mit seinem enorm hohen Ausländeranteil zu verlegen oder dem Polizisten eine belgische Uniform anzulegen oder aus dem imaginären Ort Lüttingen, den man auf keiner Landkarte der Welt finden kann, Hauset oder Raeren zu machen. Hierdurch wurde deutlich gemacht, dass Lüttingen für jeden Ort auf dieser Welt steht, Lüttingen also überall ist, genau wie die Probleme dort symbolisch auch – und ebenfalls eine Idee der Regie – das Autokennzeichen des Unfallflüchtigen Fabrikanten Gelhart: LÜ – G1.
Vorbildlich auch die Darsteller, die alles glaubhaft umzusetzen verstanden und so beim Betrachter Beklemmung und vielleicht auch Nachdenken und schlechtes Gewissen hinterließen. Es gab beeindruckende Szenen. So z.B., wenn die jungen Eheleute, die wenige Wochen zuvor noch Ärgernis erregten, weil sie sich nicht scheuten, ihre Verliebtheit in aller Öffentlichkeit zu zeigen, am Ende nicht einmal mehr in der Lage sind, die Hände des anderen zu erreichen.
Dieses Lob verdienten sich (in der Reihenfolge des Programmzettels): Nadine Lorreng, Stephan Offermann, Gerta Foxius, Henning Lindenschmidt, Christian Hoven, Patrick Lorreng, Louise Klein, Helga Parent, Simonne Schoofs, Günther Lorreng, Verena Falkenstein, Thorsten Güsting und Robert Paasch.
Dass die Theaterjury die Aufführung mit der höchsten Klasse belohnte, war angesichts der Leistungen selbstverständlich.
Im Rahmen seiner Kontakte zu der Theatergruppe TheEi aus Eisenhüttenstadt wird das Theater „Gaudium“ Ende April vier Tage in Eisenhüttenstadt verbringen und an zwei Abenden mit seinem Stück gastieren. „Sophie“ wird übrigens auch noch am 2. März im Eupener Jünglingshaus aufgeführt.

W.F.