“Der kerngesunde Kranke” – Grenz-Echo Bericht

Der kerngesunde Kranke

Eine Komödie von P. Pflug
Regie: Günther Lorreng

Aufführungen in Hauset
Samstag, den 9. März1991
und Sonntag, den 10. März1991

Grenz-Echo, im März 1991

Theater „Gaudium“ spielte „Der kerngesunde Kranke“

Überdurchschnittliche Theaterkost in Hauset

Neue Wege im ostbelgischen Amateurtheater beschreitet seit dem vorigen Jahr die Gruppe „Gaudium“ aus Hauset unter der Leitung von Günther Lorreng. War es im vergangenen Jahr das Stück „Waldeslust“, das Akzente setzte, so hat man im Lauf der letzten Monate mit „Der kerngesunde Kranke von R. Pflug einen Schwank erarbeitet, der sich angenehm vom Niveau der sonst von Laienbühnen aufgeführten Lustspiele abhebt. Auch das zweite Ziel der Gruppe, nämlich Kinder und Jugendliche für das Theater zu begeistern, wurde voll erreicht, und so trat am Samstag und am Sonntag eine recht junge Truppe auf die Bühne der Hauseter Mehrzweckhalle, die die gestellten Erwartungen mehr als erfüllte.

Wie es einem fleißigen Menschen ergehen kann, der sein ganzes Leben lang hart gearbeitet hat, erzählt die Geschichte vom Maurermeister Leonhard Klawitter, der durch seine Tüchtigkeit hochgekommen und reich geworden ist. Nach dem Tod seiner Frau erfährt sein Dasein aber eine bittere Wandlung, denn nun fürchtet er, auch bald die beiden Töchter zu verlieren und alleine zu bleiben. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten wird der bis dahin kerngesunde Handwerker krank – er kann nicht mehr gehen und wird von fürchterlichen Schmerzen geplagt.

Scharlatanerie und Betrügerei

Günther Lorreng, Regisseur der Truppe „Gaudium“, übernahm selbst den Part des alternden Klawitters, dessen Seelenängste zu dieser eingebildeten Krankheit rührten. Eindrucksvolles Stöhnen, schmerzverzerrte Gesichtszüge, aber auch fürchterliches Schimpfen und ständige Ungeduld prägen seine Auftritte. Er tyrannisiert die gesamte Familie, vor allem die beiden Töchter Roswitha (Amelie Kaub), die den jungen Dr. med. Giesebrecht (Christian Hoven) heiraten möchte, und das freche, altkluge Gör Isolde, überzeugend dargestellt von der erst zwölfjährigen Tochter des Regisseurs, Nadine Lorreng. Auch Haushälterin Minna (Louise Klein), die von Beginn an nicht an die Krankheit des Hausherrn glaubte. Die einzige, die sich scheinbar liebevoll um den Kranken kümmert, ist die Nachbarin, Frau Hintersatz, die es aber vor allem auf das nicht unbeträchtliche Vermögen Klawitters abgesehen hat. Sie schaltet denn auch recht bald zwei Freundinnen ein, die ihr helfen sollen, das Erbe zu erschleichen. Zunächst versucht die resolute Rechtsberaterin Martine Moreau (Bernadette Bebronne), ihn zu überreden, sein Testament zu machen, natürlich zugunsten der Nachbarin. Als dies nicht klappt, schreitet die Wunderheilerin Frau Sakarian (Simonne Schoofs) ein, die aus einem Nackenhaar Klawitters erkennt, dass sein klägliches Dasein bald zu Ende gehen wird und damit die Entscheidungsfreude Klawitters etwas steigern soll.

Weissagungen und Wunder

Arzte lässt der Maurermeister schon lange nicht mehr an sich heran, denn die haben ihm immer wieder bescheinigt, dass er organisch vollkommen gesund ist. So kann auch Dr. Giesebrecht erst Kontakt mit ihm aufnehmen, als er in die Rolle eines dümmlichen Elektrikers (Patrick Lorreng) schlüpft, der die Klingel reparieren soll. Er kann den Kranken in dieser Rolle beeindrucken, so dass dieser ihn sich schließlich als zukünftigen Schwiegersohn wünscht. Mittlerweile hat es Frau Hintersatz geschafft, Klawitter zur Heirat zu überreden und ist dabei, das Aufgebot zu bestellen. Nun sieht Haushälterin Minna nur noch eine Möglichkeit, das drohende Verhängnis abzuwenden. Sie schlüpft in die Rolle der Wahrsagerin Frau Müller, die dem Kranken die Nachbarin als Schlange präsentieren möchte, dabei aber scheitert. Erst als Klawitter im Beisein des Arzt-Elektrikers Giesebrecht den Toten spielt und darüber Frau Hintersatz auftaucht und eine fürchterliche Szene macht, weil sie ihre schönen Pläne zerplatzen sieht, erkennt er ihre Verschlagenheit und die guten Beweggründe seiner Verwandten.
Schlussendlich rettet er dann noch den zukünftigen Schwiegersohn vor einem Sturz von der Leiter und stellt dabei fest, dass er doch noch gehen kann. So vollzieht sich die wundersame Heilung des Maurermeisters Klawitter, der sich dem Tode nahe glaubte.

Schauspielerei im Blut

Mit viel Einfühlungsvermögen und hervorragenden darstellerischen Leistungen präsentierten die Schauspieler dieses Lustspiel, das nicht von Klamauk und Situationskomik, sondern von feinsinnigem Witz lebt. Besonders die ausgeprägten Charaktere der Minna, der Frau Hintersatz und des Maurermeisters Klawitter waren Paraderollen, die Louise Klein, Gerta Foxius und Günther Lorreng trotz des sehr umfangreichen und schwierigen Textes hervorragend meisterten und nuancenreich darstellten. Mindestens genauso beeindruckend waren die Jugendlichen: Die beiden Kinder des Regisseurs, Nadine Lorreng als freches Gör Isolde, und Patrick Lorreng als einfältiger Elektriker überzeugten vollkommen und zeigten, dass sie das Talent des Vaters geerbt haben. Auch die seriöseren Rollen der Töchter Roswitha und ihres Verlobten Dr. Giesebrecht wurden von Amelie Kaub und Christian Hoven hervorragend gemeistert. Nimmt man dann noch die ausgezeichnete Besetzung der Nebenrollen (Bernadette Bebronne und Simonne Schoofs) sowie die durch ihre Einfachheit beeindruckende Inszenierung hinzu, so kann man nur das Fazit ziehen, dass dies überdurchschnittliches Laientheater war. Dieser Meinung war auch die Jury der Deutschsprachigen Gemeinschaft, die am Sonntagabend das Ensemble in die höchste Spielklasse einstufte.

Wertvolle Nachwuchsförderung

Möglich wurde diese Aufführung nur durch die Zusammenarbeit mit dem Kreativen Atelier „Regenbogen“, dessen Mitglieder für all die vielen Kleinigkeiten sorgten, die mit zu einem solchen Theaterabend gehören. Im nächsten Jahr werden sie sicher noch intensiver eingesetzt, denn dann steht wieder ein Kinderstück auf dem Spielplan des Theaters „Gaudium“, wobei die Kostüme selbst gebastelt werden, und viele Hauseter Kinder die Möglichkeit erhalten, die Bretter, die die Welt bedeuten, zu betreten. Sicher entdeckt Günther Lorreng bei dieser Gelegenheit wieder neue Talente, die er in sein nächstes Erwachsenenstück einbeziehen kann.

ram